Verzicht auf Strafverfolgung wegen der Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel
ohne gültigen Fahrschein


Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
wir bitten Sie, den folgenden Antrag auf die Tagesordnung der Sitzung des
Stadtrates am 15.06.2023 zu setzen und abstimmen zu lassen


Der Rat der Landeshauptstadt Düsseldorf beschließt was folgt:


1. Die Stadt als alleinige Gesellschafterin der Holding der Stadt Düsseldorf GmbH
(bzw. die entsprechenden Vertreter*innen der Stadt) wird (werden)
aufgefordert, die Einberufung einer Gesellschafterversammlung der Holding
der Stadt Düsseldorf GmbH durch die Geschäftsführung zu verlangen (§ 50
GmbHG), die den Beschluss fassen soll, die Geschäftsführung der Holding der
Stadt Düsseldorf GmbH auf Grundlage von § 37 Abs. 1 GmbHG anzuweisen,
den Vorstand der Rheinbahn AG auf der Rechtsgrundlage des
Beherrschungsvertrages zwischen der Holding der Stadt Düsseldorf GmbH und
der Rheinbahn AG vom 17.Mai 2017 anzuweisen:
– Die Rheinbahn AG stellt ab sofort weder Strafanzeigen noch Strafanträge nach
§ 265a wegen Beförderungserschleichung.


2. Die Vertreter*innen der Stadt in der Gesellschafterversammlung der Holding
der Stadt Düsseldorf GmbH werden sodann angewiesen, die notwendigen
Beschlüsse zu fassen, um die Geschäftsführung der Holding der Stadt
Düsseldorf GmbH auf Grundlage von § 37 Abs. 1 GmbHG anzuweisen, dass
diese wiederum den Vorstand der Rheinbahn AG auf der Rechtsgrundlage des
Beherrschungsvertrages zwischen der Holding der Stadt Düsseldorf GmbH undSeite 2
der Rheinbahn AG vom 17.Mai 2017 anweist:
– Die Rheinbahn AG stellt ab sofort weder Strafanzeigen noch Strafanträge nach
§ 265a wegen Beförderungserschleichung.


Begründung:
Die Ampelkoalition in Berlin hat eine Überarbeitung des Straftatbestandes der
Leistungserschleichung, § 265a StGB, für das kommende Jahr in Aussicht gestellt.
Eine der diskutierten Optionen ist die Herabstufung zu einer Ordnungswidrigkeit.
Damit könnten Bußgelder verhängt werden, die in der Regel deutlich geringer als
Strafzahlungen ausfallen und auch von finanziell schlechter gestellten Menschen
leichter aufzubringen wären.


Vor diesem Hintergrund hat der Rat der Landeshauptstadt Düsseldorf am
17. November 2022 die Vorlage RAT/430/2022 mit Mehrheit beschlossen. Darin wird
der Aufsichtsrat der Rheinbahn AG aufgefordert, sich gegenüber der
Geschäftsführung dafür einzusetzen, dass die Rheinbahn auf Strafanzeigen wegen
Fahrens ohne gültigen Fahrschein verzichtet.


In dem Blog VierNull war am 23. Mai dieses Jahres Folgendes zu lesen:
„(…) Seit dieser Entscheidung des Stadtrats hat die Rheinbahn dennoch 230
Strafanträge gestellt. Der Aufsichtsratsvorsitzende Andreas Hartnigk erklärte darauf
angesprochen, der Aufsichtsrat mische sich nicht ins operative Geschäft ein. Solche
Entscheidungen treffe der Vorstand, der sich mit den Strafanträgen im Rahmen
geltenden Rechts bewege, sagte er. Hartnigks Fraktion, die CDU, hatte damals
ebenso wie die AfD gegen den Antrag gestimmt.


Der Rheinbahn-Vorstand wiederum erklärte auf Nachfrage, zu dem Thema sei damit
alles gesagt. Das ist in doppelter Hinsicht bitter: Für den Stadtrat, dem die
Unternehmensspitze zu verstehen gab, was sie von dort getroffenen Entscheidungen
hält. Und für die Rheinbahn selbst, die ein gutes Zeichen hätte setzen können. Sie
hätte zum Beispiel Strafanträge aussetzen können, solange in Berlin beraten wird,
den damit verbundenen Paragrafen aus dem Strafgesetzbuch zu streichen und aus
der Straftat eine Ordnungswidrigkeit zu machen.“


Richtig ist, dass der Vorstand der Rheinbahn AG für die Umsetzung der Forderung
des Beschlusses des Rates zuständig ist und dass für die Rheinbahn AG das
Aktienrecht bzw. der sog. Vorrang des Gesellschaftsrechts gilt.
Vor diesem Hintergrund ist der vorliegende Antrag notwendig, um den Inhalt des
Beschlusses der Mehrheit der Mitglieder des Rates vom 17.November 2022
umzusetzen.


Zur Frage, ob das Fahren ohne gültigen Fahrschein überhaupt betraft werden soll,
äußerte sich Prof. Dr. Thomas Fischer, Rechtsanwalt in München und
Rechtswissenschaftler und von 2013 bis 2017 Vorsitzender Richter des 2. Strafsenats
am Bundesgerichtshof, in der Legal Tribune Online am 23. Mai 2022 wie folgt:
„(…) Schwarzfahren sollte nicht weiter bestraft werden. Es ist in der Substanz nur
das Nichtzahlen einer Schuld. Das reicht für keine der anderen Varianten des § 265a
StGB. Die geschädigten Unternehmen können sich zivilrechtlich wirksam wehren.
Das Unrecht des bloßen Schwarzfahrens ohne Zugangserschleichung rechtfertigt
weder eine Verfolgung als Straftat noch eine solche als Ordnungswidrigkeit. Wenn
das die Rechtsprechung nicht einsieht, muss der Gesetzgeber es ihr ins
Strafgesetzbuch schreiben. (…)“*
*https://www.lto.de/recht/meinung/m/eine-frage-an-thomas-fischer-schwarzfahren-
weiter-bestrafen/

Beim Wegfall der Strafbarkeit des Fahrens ohne gültigen Fahrschein in einem
Fahrzeug des öffentlichen Personenverkehrs bleiben grundsätzlich alle zivilrechtlichen
Ansprüche eines geschädigten Unternehmens bestehen. Das gilt auch, wenn wie hier
gefordert, der Vorstand der Rheinbahn die Anweisung der Geschäftsführung der
Holding der Stadt Düsseldorf GmbH umsetzt. Es entsteht demnach auch in der Folge
kein unmittelbarer Schaden für das Unternehmen.

Auf die Einberufung eine Gesellschafterversammlung kann verzichtet werden, wenn
die obigen Weisungen unter Verzicht auf Form und Frist durch die Stadt gegenüber
den Geschäftsführen der Stadt erteilt werden.