Der Vorsitzende des Kulturausschusses, Manfred Neuenhaus (FDP), erwartet, „dass die Bühnen auf die Kritik reagieren“. „Die Aufgabe unserer Bühnen ist es, die Demokratie zu stärken. In diesem Zusammenhang darf es keinerlei Spielraum geben“, betont Manfred Neuenhaus. „Ehrlich gesagt, hätte ich von den Intendanten sofort eine glasklare Erklärung erwartet.“ Zumal man sich in der Vergangenheit als Ampelkoalition mit dem damaligen Oberbürgermeister Thomas Geisel darauf verständigt habe, sich als Stadt der Bundestagsresolution anzuschließen.
Düsseldorf Düsseldorfer Intendanten unterstützen eine Initiative, in der manche eine Nähe zur antisemitischen Bewegung BDS sehen. Dieses Engagement sorgt auch für Kritik.
Von Sema Kouschkerian
Philipp Butler-Ransohoff hat die Intendanten Wilfried Schulz (Schauspielhaus), Kathrin Tiedemann (Forum Freies Theater, FFT) und Bettina Masuch (Tanzhaus NRW) in einem Interview mit unserer Redaktion scharf kritisiert. Die Theaterleiter unterstützen die Initiative „Weltoffenheit GG 5.3“. Diese verbrüdere sich mit der antisemitischen BDS-Bewegung, sagt der Vizepräsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft. Die Befürworter der Initiative hingegen befürchten, die Bundestags-Resolution gegen Antisemitismus könnte das „Klima der Vielstimmigkeit“ bedrohen, was Ransohoff „völligen Unfug“ nennt.
In Düsseldorf hat das Interview eine Debatte über kulturelle Freiräume und ihre Grenzen ausgelöst. Bastian Fleermann, Leiter der Mahn- und Gedenkstätte, sagte, ihm sei das Engagement der Kulturschaffenden gänzlich unverständlich. Der Vorsitzende des Kulturausschusses, Manfred Neuenhaus (FDP), erwartet, „dass die Bühnen auf die Kritik reagieren“, und Volker Neupert, verantwortlich für die interkulturelle Anlaufstelle „Respekt und Mut“, charakterisiert das Plädoyer „Weltoffenheit“ als „seltsam quer zur gesellschaftlichen Wirklichkeit“. Kulturdezernent Hans-Georg Lohe pocht indes auf eine öffentliche Debatte und die Gegenüberstellung der unterschiedlichen Positionen.
Zum Hintergrund: Der Deutsche Bundestag hatte sich im Mai 2019 in einer Resolution dazu verpflichtet, jeder Form des Antisemitismus konsequent entgegenzutreten. Namentlich werden der BDS und die ihm nahestehenden Gruppen genannt. BDS steht für „Boykott, Desinvestition und Sanktionen“. Er ruft zum radikalen Boykott gegen den Staat Israel, die israelische Gemeinschaft und israelische Waren auf. In der Erklärung des Bundestages werden „die Argumentationsmuster und Methoden der BDS-Bewegung“ als „antisemitisch“ bezeichnet. Im Dezember 2020, eineinhalb Jahre nach Veröffentlichung der Resolution, haben deutsche Intellektuelle die Initiative „Weltoffenheit GG 5.3.“ gegründet. Sie betonen, den Boykott Israels durch den BDS abzulehnen, fordern jedoch mit Blick auf eine kritische Reflexion „Ambivalenzen zu ertragen und abweichende Positionen zuzulassen“. In der Erklärung heißt es unter anderem: „Unter Berufung auf diese Resolution werden durch missbräuchliche Verwendungen des Antisemitismus-Vorwurfs wichtige Stimmen beiseite gedrängt und kritische Positionen verzerrt dargestellt.“
Dass deutsche Kulturschaffende „ihren Diskursraum eingeengt“ sähen und „eine angeblich zunehmende missbräuchliche Verwendung des Antisemitismus-Vorwurfs beklagen“, wundert Fleermann. Pünktlich zu Chanukka, einem der wichtigsten jüdischen Feste, sei „das weinerlich verkündet worden“, so der Historiker, „während wir kleinen Gedenkstätten, Meldestellen, Jüdische Gemeinden und Initiativen gegen den steigenden Antisemitismus tagtäglich ankämpfen. Ankämpfen müssen! Das alles verstehe, wer wolle – ich jedenfalls nicht.“ Zu einem Gespräch darüber, etwa mit den Intendantinnen Tiedemann und Masuch, war es zunächst nicht gekommen. Bemüht hatte sich Fleermann darum. Am Donnerstag dann verständigte man sich darauf, in den kommenden Tagen miteinander zu reden.
„Die Aufgabe unserer Bühnen ist es, die Demokratie zu stärken. In diesem Zusammenhang darf es keinerlei Spielraum geben“, betont Manfred Neuenhaus. „Ehrlich gesagt, hätte ich von den Intendanten sofort eine glasklare Erklärung erwartet.“ Zumal man sich in der Vergangenheit als Ampelkoalition mit dem damaligen Oberbürgermeister Thomas Geisel darauf verständigt habe, sich als Stadt der Bundestagsresolution anzuschließen. Diese Verantwortung müsse auch die Kultur übernehmen, sagt Michael Rubinstein, Verwaltungsdirektor der Jüdischen Gemeinde Düsseldorf. „Natürlich gibt es einen Spagat zwischen Kunstfreiheit und Politik, und gerade deswegen müssen Kulturschaffende genau abwägen, was sie unterstützen.“
Schauspielhaus-Intendant Wilfried Schulz möchte den Dissens nutzen, um die unterschiedlichen Haltungen auszutauschen. Zu Philipp Butler Ransohoff hat er bereits Kontakt aufgenommen. „Ich habe meine Position, aber ich höre auch andere Positionen“, sagt Schulz. Er habe sich „sehr genau überlegt“, ob er das Plädoyer „Weltoffenheit“ unterstützen solle. In der kommenden Woche, so sein Vorschlag, wolle er mit Butler Ransohoff in einem persönlichen Gespräch über die Angelegenheit sprechen. Schulz wie Butler Ransohoff können sich eine öffentliche Diskussionsveranstaltung vorstellen. Auch Kathrin Tiedemann vom FFT findet, dass über das komplexe Thema in Düsseldorf gesprochen werden müsse. Sie sagte jedoch auch, dass sie die „Polemik“ in den Äußerungen von Butler Ransohoff nicht nachvollziehen könne. Kulturdezernent Hans-Georg Lohe ist unbedingt dafür, die Stimmen der Initiative „Weltoffenheit“ zu hören: „Es handelt sich schließlich um eine bundesweite Aktion mit wichtigen kulturellen Playern.“ Lohe sagte aber auch, dass sich Düsseldorf uneingeschränkt an die Resolution des Bundestages halten werde.