Marie-Agnes Strack-Zimmermann mit einem ganz persönlichen Rückblick auf das Corona-Jahr 2020.
Marie-Agnes Strack-Zimmermann, FDP-Verteidigungspolitikerin, 62 Jahre
„Wie ernst die Lage ist, wurde mir so richtig klar, als Deutschland das erste Mal in den Shutdown ging. Derart ausgebremst zu werden, nicht mehr reisen zu können, auf viele Kontakte verzichten zu müssen – bis hin zu den eigenen Enkeln: Das habe ich persönlich als extrem empfunden.
Die Mutter von einem meiner engsten Freunde ist im Seniorenheim verstorben, ich konnte nicht zur Beerdigung gehen. Von einem politischen Weggefährten konnten wir uns bis heute nicht im Rahmen einer angemessenen Trauerfeier verabschieden. Und ich werde nie diese leeren Bahnhöfe und Flughäfen vergessen – ein seltsamer Anblick.
Aber auch als Politikerin war das eine ganz neue Situation. Ich habe ungemein viel Post bekommen auch von Menschen aus meinem Wahlkreis in Düsseldorf, die Rat und Hilfe gesucht haben: Gastronomen, Unternehmerinnen, Menschen mit Angehörigen in Altersheimen. Das hatte ich in dieser Intensität zuvor noch nicht erlebt.
Wir haben in der Bundestagsfraktion recht schnell Informationen zusammengestellt. Da konnte ich zum Beispiel dem Gastronomen bei mir in der Düsseldorfer Innenstadt ganz konkret antworten: Auf dieser Internetseite können Sie diese oder jene Hilfe beantragen. Aber es gab natürlich auch aufgebrachte Zuschriften.
Wie viele Parlamentarier, bekam ich es mit einer Flut von E-Mails besonders vor der Abstimmung zum neuen Infektionsschutzgesetz zu tun. In diesen Mails war zum Teil geschichtsrevisionistisch von einem „Ermächtigungsgesetz“ die Rede – auch von Leuten, die es besser wissen müssten. Ungefähr 30 von ihnen habe ich persönlich angerufen.
Denen habe ich zum einen erklärt, warum ich diesen Begriff unsäglich finde. Zum anderen aber auch, dass ich ihren Unmut nachvollziehen kann, und wir als FDP gegen das Gesetz stimmen werden, weil wir der Auffassung sind, dass es sehr schlecht gemacht ist. Viele dieser Gespräche sind letztendlich sehr konstruktiv verlaufen.
„Eine schwarze Stunde für den Parlamentarismus“
Besonders herausfordernd war auch, dass wir unter Corona-Bedingungen einen Wahlkampf führen mussten: Ich bin in Düsseldorf als Oberbürgermeisterkandidatin angetreten. Der Wahlkampf hat erstaunlich gut funktioniert: Einerseits waren wir mit Mundschutz auf der Straße unterwegs. Andererseits hatten wir Veranstaltungen mit weniger Bürgern vor Ort, die sich dann aber im Netz einschalten konnten. So haben am Ende deutlich mehr Leute zugeschaut, als das sonst der Fall gewesen wäre.
Trotz des intensiven digitalen Bürgerkontakts war dieses Corona-Jahr aus meiner Sicht kein gutes Jahr für den Parlamentarismus – eher eine schwarze Stunde. So viele Entscheidungen mit weitreichenden Folgen für die Bevölkerung sind von der Regierung und nicht vom Bundestag beschlossen worden.
Das kann nicht sein – schließlich sind wir die gewählten Volksvertreterinnen. Das wäre mein Wunsch fürs nächste Jahr: Dass sich das ändert und der Bundestag einschneidende Maßnahmen wieder diskutiert und letztlich verantwortlich entscheidet.“ Aufgezeichnet von Maria Fiedler